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Mittwoch, 20 Dezember 2023 08:23

Interview mit Torsten Hähne

#BASISNAH Folge 16: Torsten Hähne (HV Sachsen)

Quelle: Interview von Julia Nikoleit auf www.dhb-schiedsrichterportal.de

Torsten Hähne ist als Mitglied im Schiedsrichterausschuss des HV Sachsen zuständig für die Ansetzungen in der Sachsen- und Verbandsliga, in der er früher selbst gepfiffen hat. In der neuen Folge von #Basisnah spricht er über seinen vergleichsweise späten Einstieg in die Schiedsrichterei und die Schwierigkeiten, vor denen er als Ansetzer aufgrund des Schiedsrichtermangels Woche für Woche steht …

Redaktion: Wie sind Sie zur Schiedsrichterei gekommen?

Torsten Hähne: Ich habe erst sehr spät – mit 35 Jahren – meine Schiedsrichter-Lizenz gemacht. Ich hatte zuvor wieder angefangen, in der Kreisliga zu spielen und dort waren immer wieder Schiedsrichter angesetzt, die sehr lustlos waren. Das hat mich genervt und daher habe ich mich entschieden, die Grundausbildung zu absolvieren.

Wie ging es weiter?

Ich habe einen Schiedsrichter-Partner beim Radeberger SV gefunden, und als wir ein Jahr zusammen im Bezirk gepfiffen hatten, haben wir uns entschieden, dass wir auch gerne höherklassig pfeifen würden. Daraufhin wurden wir beobachtet und 2005 in den HV Sachsen gemeldet. Wir sind in unserem ersten Jahr als Neuling im Mittelfeld des Kaders gelandet und im zweiten Jahr als Erster in die Sachsenliga aufgestiegen. Dort haben wir von 2007 bis 2017 gepfiffen. Dann musste mein Schiedsrichter-Partner aus beruflichen Gründen kürzertreten und wir haben uns entschieden, im Bezirk weiterzupfeifen.

Wie kam es dazu, dass Sie sich auch neben dem Pfeifen engagiert haben?

Das war einfach normal. Ich war schon seit 2014 als zweiter Ansetzer im HV Sachsen für die Verbandsliga zuständig und seit 2010 als Schiedsrichter-Lehrwart im Spielkreis Bautzen für die Neuausbildung von Schiedsrichtern und Kampfgerichten zuständig. Wenn ich sehe, dass viele unserer jungen Leute den Weg in den HV Sachsen geschafft haben, macht mich das stolz. Mein Schiedsrichter-Partner ist Staffelleiter und zudem als Delegierter in der Oberliga und Sachsenliga unterwegs. Daher kommen wir inzwischen sehr wenig dazu, zusammen zu pfeifen. Ich bin daher auch immer wieder mit jungen oder neu ausgebildeten Schiedsrichtern unterwegs und das macht mir sehr viel Freude.

Neu ausgebildet ist ein gutes Stichwort: An was erinnern Sie sich noch von Ihren ersten Spielen?

Es gab sicherlich einen Unterschied zwischen meinem Einstieg und den jungen Menschen, die heute schon im Alter von 15 bis 18 Jahren ausgebildet werden. Ich war als Mitte Dreißigjähriger mental gefestigt und konnte mich von Anfang an anders durchsetzen als ein Jugendlicher von 15, 16 oder 17 Jahren. Ich hatte damals auf Kreisebene die Spiele abzusichern, habe aber schnell gemerkt, dass ich mich gar nicht so schlecht anstelle und gute Kritiken bekomme. So habe ich Spaß daran gefunden, weiter zu pfeifen – und irgendwann das Pfeifen vor das eigene Spielen zu stellen - wenn man in der Kreisliga spielt, ist man in der Regel aber auch nicht der talentierteste Handballer (lacht).

Also war es ein Vorteil, dass Sie bei ihren ersten Spielen älter waren?

Auf jeden Fall. Man bekommt viel Gegenwind. Dadurch lernt man sicherlich viel, aber das durchzuhalten, schafft nicht jeder, da bin ich ehrlich. Manche Kommentare von den Tribünen nehmen einen wirklich mit – gerade, wenn man noch ein ganz junger Schiedsrichter ist. In meinem Verein, dem Radeberger SV, versuchen wir in solchen Fällen einzugreifen, in dem ein Funktionär zu den Zuschauern geht und mit ihnen redet. So gelingt es uns, die Tribünen etwas ruhiger zu halten.

Wenn das ein junger Schiedsrichter liest, der selbst gerade bei seinen ersten Spielen zu kämpfen hat, könnte man daraus den Schluss ziehen: Es ist in einem gewissen Maß normal, was du gerade erlebst – du brauchst dir keine Sorgen zu machen, dass nur du das Problem hast?

Auf jeden Fall. Ich sehe dort vor allem die Vereine in der Pflicht. Sie sind angehalten, dass sie den jungen Schiedsrichtern erfahrene Kollegen oder Vereinsverantwortliche an die Seite stellen, die unterstützend wirken. In der Vergangenheit haben viele Vereine junge Schiedsrichter allein gelassen. Wer keine Tipps oder Hinweise bekommt, verliert irgendwann die Lust oder verbessert sich nicht. Wir versuchen das anders zu machen und uns um die jungen Leute zu kümmern. Wir hatten zuletzt sieben Neulinge, die ihre Ausbildung gemacht hatten und die haben wir in ihrem ersten Jahr begleitet, auch bei Freundschaftsspielen, und sie haben alle einen großen Sprung gemacht. Wir wissen, dass wir sie jetzt mit einem guten Gewissen auch allein zu Auswärtsspielen schicken können.

Es ist oft von einem großen Schiedsrichtermangel die Rede. Das müsste eigentlich niemand besser beurteilen können als der Ansetzer, der die Spiele besetzen muss. Wie erleben Sie die Situation?

Auch in unserem Landesverband gibt es viel zu wenig Schiedsrichter – und das Problem ist in den letzten Jahren immer größer geworden. Als wir damals aufgestiegen sind, konnten alle Spiele besetzt werden und Schiedsrichter hatten zwischendurch ein freies oder nur ein Spiel an einem Wochenende, weil es einfach genug Gespanne gab. Über die Jahre hinweg wurden es dann weniger und in der Corona-Zeit haben viele Kollegen entdeckt, dass es noch andere Hobbys außer Handball gibt bzw. man einfach mehr mit der Familie unternimmt. Man hat gemerkt, dass sich einige – nicht nur ältere Kollegen – zurückgezogen haben. Auf der Bezirksebene ist das Problem noch größer, aber wir haben es auch zu spüren bekommen. Und das hat wiederum erneut Auswirkungen auf die Bezirksebene.

Inwiefern?

Probleme auf der höheren Ebene sorgen für Probleme bis nach unten durch. Die höherklassigen Jugendligen der Regionalliga Nordost und der Mitteldeutschen Oberliga, die ich mittlerweile ebenfalls ansetzen muss, sind zum Beispiel durch den Landesverband abzusichern, aber die dort geforderten Schiedsrichter fehlen uns für unseren normalen Spielbetrieb in der Sachsenliga und der Verbandsliga der Männer und Frauen. Ich möchte nicht falsch verstanden werden, für die Jugendlichen ist es super, dort oben zu spielen, aber da die Ligen in den vergangenen Jahren neu entstanden sind, gibt es keinen eigenen Schiedsrichterpool. Deshalb werden sie von der Landesebene abgezogen und fehlen dort – und es kommt hinzu, dass von unten zu wenig gemeldet werden.

Was hat das für Folgen?

Die Spiele, die ich ansetzen muss, stehen fest - mit Sachsenliga Männer, MJA und Frauen und jeweils zwei Staffeln Verbandsliga Männer und Frauen bin ich ruckzuck bei 20 bis 25 Spielen an einem Tag am Wochenende. Da unsere Schiedsrichter Freitermine eintragen, weil sie privat etwas vorhaben oder selbst spielen oder sich wegen Krankheit abmelden, habe ich oft fünf bis sieben Teams weniger, als ich bräuchte. Also versuche ich, Teams zu mischen – falls aus zwei Gespannen jeweils nur einer von beiden einen Freitermin genommen hat, um alle Spiele besetzen zu können. Das ist nicht immer machbar und die Leidtragenden sind die Mannschaften in der Verbandsliga Frauen, weil diese Liga laut Regularien als unterste Ebene gilt. Wir kämpfen, um pro Wochenende mindestens zwei Drittel der Spiele mit Schiedsrichtern aus dem Landesverband zu besetzen.

Was passiert mit dem letzten Drittel der Spiele?

Wenn es trotz gemischter Teams nicht möglich ist, alle Paarungen zu besetzen, gehen diesen Spiele in den Spielbezirk runter, die nächst tiefere Ebene. Der dortige Ansetzer muss sie zuerst besetzen, weil es höherklassige Spiele sind, was dann natürlich wiederum zur Folge, dass den Kollegen in den vier Spielbezirken die Schiedsrichter für ihre eigene Spiele auf Bezirkseben fehlen. Und so zieht sich dieser Rattenschwanz von fehlenden Schiedsrichtern bis runter zur Kreisebene oder unteren Bezirksebene, wo Wochenende für Wochenende bei Spielen keine Schiedsrichter auftauchen.

Was passiert mit den Spielen?

Die müssen trotzdem durchgeführt werden. Laut Spielordnung ist es so, dass die Mannschaften selbst Schiedsrichter stellen sollen oder ein Sportfreund das übernimmt, der möglichst eine Schiedsrichter-Lizenz hat. Auch ein Zuschauer ohne Lizenz könnte das Spiel leiten. In der Praxis einigen sich die Mannschaften oft darauf, dass aus jeder Mannschaft einer pfeift.

Was wäre wichtig, um dem Schiedsrichtermangel entgegenzuwirken?

Die Vereine an der Basis müssen aktiv werden. Einige Vereine – ich möchte hier keine Namen nennen – kümmern sich leider überhaupt nicht um den Schiedsrichternachwuchs und das finde ich schlimm. Sie haben selbst viele Mannschaften, auch höherklassig im Landesverband, und wollen gute Schiedsrichter für die eigenen Spiele haben, aber engagieren sich selbst nicht, indem sie Schiedsrichter ausbilden und fördern, die so dringend gebraucht werde. Das ärgert mich persönlich sehr, weil nur gefordert wird, aber nichts zurückkommt.

Wie könnte es stattdessen funktionieren?

Gerade im Kinder- und Jugendbereich sind die Spieler oft noch zu begeistern; das Pfeifen macht ihnen erst einmal Spaß. Dann kommt die Entschädigung als Schiedsrichter hinzu, was für einige Sportfreunde auch ein gutes Taschengeld sein kann. Und ich glaube, man sollte mit den jungen Leuten reden, um ihnen deutlich zu machen, dass ohne Schiedsrichter kein Spiel stattfinden kann. Unser Abteilungsleiter in Radeberg ist zu unserer B-Jugend gegangen und hat gesagt: „Ihr seid 14 Jungs, ich erwarte, dass jeder von euch sich engagiert.“ Und bis auf ein oder zwei haben alle eine Ausbildung zum Kampfgericht oder Schiedsrichter gemacht, weil es bei ihnen Klick gemacht hat. Ihnen war klar, dass der Verein sonst nicht in der Lage ist, alle Heimspiele abzusichern. Und darüber hinaus sollte man aktiv die Leute ansprechen, die als Spieler ausscheiden, ob sie nicht als Schiedsrichter dabeibleiben wollen.

Zum Abschluss: Was hätten Sie am Anfang Ihrer Schiedsrichter-Karriere gerne gewusst, was Sie aber erst lernen mussten?

Ich hätte mir gerade bei den ersten Spielen in einer neuen Liga gewünscht, dass man von erfahrenen Kollegen vor den „Experten“ der Mannschaften gewarnt wird und nicht „ins offene Messer“ läuft. Es gibt in vielen Mannschaften Spieler, auf welche besonders zu achten sich lohnt - und es ist frustrierend, das nicht zu wissen und hinterher gesagt bekommt: „Ja, hättest du mal auf den geachtet, dann wäre das viel einfacher gelaufen.“ Und ich glaube, es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass man immer dazulernt. Auch für mich gibt es bei Jugendspielen immer noch neue Situationen, denn als Schiedsrichter kann man nie alles wissen und lernt ständig dazu!

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